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Sorgfaltspflichten für das Inverkehrbringen von Kulturgut

Es ist verboten, Kulturgut in Deutschland in den Wirtschaftsverkehr zu bringen, das abhandengekommen ist, rechtswidrig ausgegraben oder unrechtmäßig eingeführt worden ist (§ 40 Kulturgutschutzgesetz, KGSG). Um solche Kulturgüter besser identifizieren zu können, müssen vor der Weitergabe, insbesondere im Rahmen eines Verkaufs, gesetzlich bestimmte Sorgfaltspflichten erfüllt werden.

Das KGSG gewährleistet mit den gesetzlich bestimmten Sorgfaltspflichten einen einheitlichen Mindeststandard, der den seriösen Handel stärkt und Kaufenden Schutz vor dem Erwerb von Kulturgut zweifelhafter Herkunft und vor etwaigen Rückgabeansprüchen der Herkunftsstaaten bietet. Dabei erkennt das Gesetz an, dass nicht von allen Veräußerern die gleiche Sorgfalt verlangt und für alle Objekte die gleichen Maßstäbe gelten können. Daher sind die Sorgfaltspflichten wie folgt gestaffelt:

Allgemeine Sorgfaltsanforderungen (§ 41 KGSG)

Diese gelten für jedermann, der Kulturgut in Deutschland im Sinne von § 2 Absatz 1 Nummer 9 KGSG in den Verkehr bringt. Es muss im Rahmen dessen, was einer „vernünftige Person unter denselben Umständen“ zumutbar erscheint, geprüft werden, ob das Kulturgut

  1. abhandengekommen ist (z.B. Diebstahl)
  2. unrechtmäßig nach Deutschland eingeführt worden ist (siehe § 32 KGSG) oder
  3. rechtswidrig ausgegraben worden ist.

Die Prüfung ist nach Absatz 2 der Regelung vorzunehmen,

„wenn sich einer vernünftigen Person die Vermutung aufdrängen müsste, dass einer der in Absatz 1 genannten Tatbestände in Betracht kommt.“

Für eine solche Vermutung müssen objektive Umstände gegeben sein, die den Verdacht einer zweifelhaften Herkunft nahelegen. Diese können etwa in einem ungewöhnlich niedrigen Preis bestehen oder in dem Wunsch nach Barabwicklung bei Summen über 5.000 Euro. Wem sich hingegen nicht aufdrängt, dass einer der unter 1. bis 3. genannten Sachverhalte vorliegen könnte, muss auch keine Prüfung vornehmen, sofern sich dies nicht aus den Umständen, unter denen das Kulturgut erworben wurde, aufdrängt. Die Prüfung steht unter dem Vorbehalt des zumutbaren Aufwandes (vgl. § 41 Absatz 2 KGSG).

Sorgfaltspflichten für den gewerblichen Handel (§ 42 KGSG)

Aufgrund seines professionellen Umgangs mit Kulturgut ist vom gewerblichen Handel ein erhöhter Sorgfaltsmaßstab zu erwarten. Die gesetzlichen Sorgfaltspflichten des KGSG orientieren sich dabei an den zahlreichen Selbstverpflichtungen der Kunsthandelsverbände, machen also nur dasjenige nunmehr gesetzlich verpflichtend, was die Branche sich selbst als Maßstab aufgegeben hat (mehr zu den Verhaltenskodizes).

§ 42 KGSG verpflichtet gewerbliche Händler zusätzlich zu den allgemeinen Sorgfaltspflichten nach § 41 KGSG:

  1. Name und Anschrift des Veräußerers, des Einlieferers, des Erwerbers oder des Auftraggebers festzustellen,
  2. eine Beschreibung und eine Abbildung anzufertigen, die geeignet sind, die Identität des Kulturgutes festzustellen,
  3. die Provenienz des Kulturgutes zu prüfen,
  4. Dokumente, die eine rechtmäßige Ein- und Ausfuhr belegen, zu prüfen,
  5. Verbote und Beschränkungen zur Ein- und Ausfuhr sowie zum Handel zu prüfen,
  6. zu prüfen, ob das Kulturgut in öffentlich zugänglichen Verzeichnissen und Datenbanken eingetragen ist, und
  7. eine schriftliche oder elektronisch übermittelte Erklärung des Einlieferers oder Veräußerers einzuholen, dass dieser berechtigt ist, über das Kulturgut zu verfügen.

Die Anforderungen an die Prüfungstiefe richten sich hinsichtlich der Pflichten zu 1. bis 6. wiederum nach dem zumutbaren (wirtschaftlichen) Aufwand. Dieser ist - wie stets bei Sorgfaltspflichten - eine Frage der Umstände des jeweiligen Einzelfalles.

Ausgenommen von diesen zusätzlichen gewerblichen Sorgfaltsanforderungen ist Kulturgut, das einen Wert von 2.500 Euro nicht überschreitet und kein archäologisches Kulturgut ist. Für archäologische Münzen können Sonderbestimmungen gelten, wenn sie Massenware darstellen (vgl. hierzu die Ausführungen zu § 42 Absatz 3 KGSG in der Handreichung zum KGSG, ab S. 211).

Vorsätzliche Verstöße gegen die in den Nummern 1, 2 und 7 genannten Pflichten stellen gemäß § 84 Absatz 1 KGSG eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße von bis zu 30.000 Euro geahndet werden kann.

Zum Nachweis der Einhaltung der gewerblichen Sorgfaltsanforderungen sind die Prüfungsmaßnahmen aufzuzeichnen und diese Dokumentation 30 Jahre lang aufzubewahren (§ 45 KGSG), was den Regelungen in der Schweiz und in Österreich entspricht. Der deutschsprachige Raum hat somit einheitlich eine Aufbewahrungspflicht für Aufzeichnungen im Kunsthandel von 30 Jahren. Wiederholte Verstöße gegen die Aufzeichnungs-, Aufbewahrungs- und Auskunftspflichten gegenüber den für Kulturgutschutz zuständigen Landesbehörden können gewerbeaufsichtsrechtliche Konsequenzen haben (§ 47 KGSG).

Erleichterte Sorgfaltspflichten für den gewerblichen Handel (§ 43 KGSG)

In nur eingeschränkter Form (nur Nummern 1 und 2 der vorstehenden Liste) gelten die gewerblichen Sorgfaltspflichten, wenn das fragliche Kulturgut entweder vom Urheber selbst oder für ihn, oder von einer Person in den Verkehr gebracht wird, die es zuvor direkt vom Urheber erworben hat.

Erhöhte Sorgfaltspflichten für den gewerblichen Handel (§ 44 KGSG)

Der als zumutbar anzusehende Aufwand für die Aufklärung der Herkunft von Kulturgut ist unter bestimmten Umständen als höher anzusehen. Namentlich geht es um die nähere Aufklärung bei:

  1. einem Verdacht auf NS-entzogenes Kulturgut,
  2. Kulturgut aus einem Herkunftsstaat, für den der Internationale Museumsrat eine Rote Liste gefährdeter Kulturgüter veröffentlicht hat, oder
  3. Kulturgut aus einem Herkunftsstaat, für den durch eine EU-Verordnung ein Einfuhr-, Ausfuhr- oder Handelsverbot besteht (derzeit Verordnung (EG) Nr. 1210/2003 für Kulturgut aus Irak und Verordnung (EU) Nr. 1332/2013 für Kulturgut aus Syrien).

Bei Kulturgut dieser Zuordnung sind aufgrund der besonderen Belastung (NS-entzogenes Kulturgut) bzw. Gefährdung (ICOM Rote Listen bzw. die Sonderregelungen für Irak und Syrien) verstärkte Nachforschungsbemühungen zu unternehmen, bevor dieses Kulturgut im Handel angeboten werden darf. Die Grenze der zumutbaren Bemühungen knüpft dabei ausdrücklich nicht allein an die wirtschaftliche Verhältnismäßigkeit an. Anderenfalls könnte das Ziel der Gewährleistung einer verstärkten Aufmerksamkeit bei Objekten mit den beschriebenen besonderen Merkmalen gerade für Objekte vergleichsweise niedriger Preisklassen kaum erreicht werden. Dies wird den besonderen Umständen bei NS-entzogenem Kulturgut und besonderen Gefährdungslagen in Kriegs- und Krisensituationen gerecht.

Lassen sich trotz intensiver Bemühungen keine weiteren Informationen erlangen, sind die Sorgfaltsanforderungen als erfüllt anzusehen.

Weitere Einzelheiten zu den Bestimmungen des KGSG über die Sorgfalts-, Aufzeichnungs-, Aufbewahrungs- und Auskunftspflichten beim Inverkehrbringen von Kulturgut in Deutschland können auch in der Handreichung zum KGSG ab Seite 203 detailliert zu den einzelnen Vorschriften nachgelesen werden.

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